Mittwoch, 3. September 2014

Riester-Verträge doch pfändbar

Riester-Verträge sind in der Regel doch pfändbar

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Dr. Johannes Fiala und Peter A. Schramm führen in einem Gastbeitrag aus, warum Riester-Verträge in der Regel – und gegen die allgemeine Annahme der Öffentlichkeit – doch pfändbar sind.

Riesterverträge gelten gemeinhin als pfändungssicher. Es gibt aber auch Gerichtsurteile, die dies anders sehen. Ein solches Urteil des Amtsgerichtes (AG) München vom 12. Dezember 2011 (Az. 273 C 8790/11) erläutern Dr. Johannes Fiala und Peter A. Schramm von der Münchener Anwaltskanzlei Fiala im folgenden Originalbeitrag:
"Sämtliches Vermögen in Riester-Verträgen, soweit es auf Beiträgen beruht, welche (noch) nicht gefördert wurden, kann ein Gläubiger bzw. Insolvenzverwalter jederzeit pfänden und an sich ausbezahlen lassen. Das AG München schließt dies aus dem klaren Wortlaut des Paragraph 97 Einkommenssteuergesetz (EStG), wo eindeutig nicht von förderfähigen, sondern nur von geförderten Beiträgen gesprochen wird.  Bei den nicht geförderten Beiträgen handelt es sich – wie das AG München hervorhebt - nicht nur um solche Beiträge, die von Anfang als nicht förderfähige Überzahlungen vertraglich vereinbart wurden, sondern auch um sämtliche Beiträge, für die eine Förderung zum Pfändungszeitpunkt tatsächlich noch nicht erfolgt ist. Betroffen sind nicht nur die häufigen Fälle des Einkommensrückgangs, bei dem eine Verminderung des Riester-Vertrags unterblieb und somit ein Teil der Beiträge nicht mehr gefördert werden kann.
Jeder Riester-Interessent kann sich die verschiedenen Online-Rechner der Anbieter im Internet ansehen und wird feststellen dass so gut wie kein Riester-Rechner identische Ergebnisse liefern dürfte – damit stellt sich jeder Kunde die Frage, welches Finanzhaus denn nun richtig rechnen kann, und damit auch richtig über die Zulagen informieren und beraten.
Förderfähigkeit von Beiträgen steht Pfändbarkeit bei Riester nicht entgegen
Weil wegen der Pfändbarkeit im Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften nur auf die tatsächlich geförderten, aber nicht die prinzipiell 'förderfähigen' Beiträge und das daraus aufgebaute Vermögen abgestellt wird – ist das gesamte angesparte Riesterkapital aus Beiträgen, für die noch keine Förderung geleistet wurde, pfändbar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Förderung endgültig nicht mehr möglich ist, weil beispielsweise Antragsfristen versäumt wurden. Vielmehr erfolgt die Pfändung auch insoweit, als Antragsfristen noch nicht abgelaufen sind und die Förderung daher grundsätzlich noch möglich wäre.
Dies gilt beispielsweise auch, wenn im Jahr Beiträge eingezahlt wurden, aber die Förderung noch nicht, sondern erst nach Ablauf des Jahresendes beantragt werden kann. Und auch, wenn die Förderung schon beantragt wurde, aber über den Förderantrag noch nicht entschieden wurde oder die Förderung noch nicht ausgezahlt wurde, ist eine Pfändung möglich. Daher ist es nahezu sicher, dass bei jedem Riester-Vertrag etwas durch Gläubiger und Insolvenzverwalter zu pfänden ist.
Kein Pfändungsschutz durch Verteilung auf mehrere Verträge
Kein Riester-Sparer kann sein Vermögen in unbegrenzter Höhe auf beliebig viele Riester-Verträge verteilen, und bei jedem einzelnen Vertrag, wenn er entdeckt wird, jeweils noch eine Pfändung verhindern, indem er auf die gesetzliche Fördermöglichkeit verweist. Der Gesetzgeber hat solchen Missbrauch verhindert, indem er nur die tatsächlich geförderten Beiträge und das daraus angesparte Riester-Kapital schützt.
Wenn der Insolvenzverwalter schnell genug arbeitet, erhält er oft das gesamte Riestervermögen aus überzahlten Beiträgen selbst für Jahre der Förderung zurück, dazu die Beiträge der Jahre, für die eine Förderung noch nicht beantragt bzw. ausgezahlt wurde, und die Beiträge des laufenden Jahres, für die noch gar kein Förderantrag gestellt werden konnte.
Der Riester-Sparer kann jedoch rechtzeitig den Riester-Vertrag ganz oder teilweise kündigen – soweit er für ihn keine Förderung erhalten hat, muss er dann eine solche natürlich auch nicht zurückzahlen.
Hinsichtlich des Restes muss der Gläubiger abwarten, ob der Versicherungsnehmer den Vertrag vielleicht irgendwann kündigt, oder sich das übliche 1/3 Teilkapital bei Rentenbeginn auszahlen lässt. Er kann aber spätestens die Riester-Rente pfänden, gegebenenfalls (wenn das Gesamteinkommen hoch genug ist) auch komplett. Denn was vorher der Pfändung entgangen ist, kann als Rente gepfändet werden, soweit mit allem anderen Einkommen zusammen die unpfändbaren Beträge – auf Sozialhilfeniveau - überschritten werden.
Riesterverträge sind in der Praxis grundsätzlich pfändbar
Von zentraler politischer Bedeutung ist, dass das Versorgungsniveau der gesetzlichen Altersrente von 54 Prozent auf rund 43 Prozent des letzten Nettoeinkommens gesenkt wird. Soweit aber Riestervermögen pfändbar ist, kann nicht mal ein insoweit teilweiser Ausgleich der Rentenlücke gelingen. Dies liegt einerseits an der gesetzlichen Regelung und andererseits daran, dass solche Verträge Jahr für Jahr 'gepflegt und nachjustiert' werden müssten, um ungeförderte Beträge auf ein unvermeidliches Minimum zu beschränken  – nur dafür wird kein Vermittler oder Berater sich die Zeit nehmen wollen. Auch ist fraglich, ob die Mehrheit der Berater und Vermittler dafür überhaupt korrekt rechnende Software zur Verfügung haben.
Ausweg: Freiwillige Zahlungen in das System des Umlageverfahrens
Wer 100 Prozent sicher gehen möchte, dass in der Einzahlungsphase ein Pfändungsschutz in vollem Umfang gegeben ist, informiert sich am besten über die Möglichkeiten, freiwillig an die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) Beiträge zu entrichten. Weiterhin besteht die Option, im Ausland weitergehende Möglichkeiten zu finden, einen Insolvenzschutz zu erhalten. Beide Lösungsansätze versprechen mindestens eine höhere Sicherheit und womöglich sogar bessere Rentabilität als in einem Altersvorsorge-Vertrag.
Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass kapitalgedeckte Altersversorgung sicherer und rentabler sei als eine solche nach dem Umlageverfahren. Denn das Problem ist hierbei nicht der angebliche demographische Wandel, sondern schlicht, dass Rentner und Arbeitnehmer seit etwa dem Jahre 2000 nicht mehr am Aufschwung bzw. den Produktivitätssteigerungen angemessen beteiligt wurden. Rund ein Viertel der Arbeitnehmer ist im Niedriglohnsektor beschäftigt, was ebenfalls zu gesunkenen Beitragseinnahmen führte. Das Abkoppeln von Arbeitnehmern und Rentnern vom Produktivitätszuwachs betrifft schlicht die Frage nach der zunehmend ungleichen Verteilung, wie jedes Jahr der sogenannte Armutsbericht als Entwicklung offenbart. Hier war Riester ein Mittel, damit der Umbau der Sozialsysteme politisch ungestört erfolgen kann, indem den Betroffenen ein Licht am Ende des Tunnels vorgegaukelt wird." (jb)

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