Donnerstag, 26. Juni 2014

Die Renten für Neurentner steigen - die Altersarmut steigt auch

Die Renten für Neurentner steigen - die Altersarmut steigt auch

Die Renten für Neurentner steigen - die Altersarmut steigt auchGeld oder Liebe? Neurentner erhalten mehr Geld - aber deutlich weniger als langjährige Ruheständler.
Foto: Steex@iStockphoto.com
Renten vs. Altersarmut: Deutschlands Neurentner haben 2013 im Schnitt mehr Geld bekommen als 2012, wie aktuelle Zahlen der Rentenversicherung zeigen. Doch es gibt auch eine negative Entwicklung: immer mehr Rentner sind auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Auch sind die Bezüge von Neurentnern teils deutlich niedriger als jene von langjährigen Ruheständlern.

2013 gab es im Vergleich zum Vorjahr mehr Geld für Neurentner. Danach erhielten Männer im Westen, die vergangenes Jahr in den Ruhestand eintraten, im Durchschnitt eine Altersrente von 913 Euro. Im Jahr zuvor waren es noch 898 Euro. Dies berichtet die Süddeutsche Zeitung (Mittwoch) mit Berufung auf Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Auch für männliche Neurentner im Osten stiegen die Bezüge an: von 903 Euro im Jahr 2012 auf 915 Euro in 2013.
Ein Plus ist ebenfalls bei weiblichen Neurentnern zu beobachten, die jedoch deutlich niedrigere Renten als männliche Ruheständler erhielten. Im Westen bekamen Frauen, die 2013 in den Ruhestand eintraten, durchschnittlich 505 Euro (plus zwölf Euro) und in den neuen Bundesländern 786 Euro (plus 33 Euro). Die niedrigeren Bezüge von Frauen resultieren daraus, dass gerade in den alten Ländern weniger Frauen erwerbstätig waren oder in der Erziehungszeit aus dem Beruf ausschieden.

Neurentner erhalten teils deutlich weniger Geld als langjährige Ruheständler

Trotz des leichten Anstiegs bei den Neurenten ist zugleich eine weniger erfreuliche Entwicklung zu beobachten. Im Schnitt erhielten Menschen, die 2013 in den Ruhestand gingen, teils deutlich niedrigere Bezüge als langjährige Ruheständler. Dies liege vor allem daran, dass mehr Neurentner in den vorzeitigen Ruhestand gehen und folglich Abschläge akzeptieren müssen, erklärte ein DRV-Sprecher. Jeder Dritte müsse deshalb mit durchschnittlich 78 Euro weniger auskommen.
Dieser Trend könnte sich zukünftig noch verschärfen. Längere Arbeitslosenzeiten, eine Zunahme an prekärer Beschäftigung sowie die Absenkung des Rentenniveaus könnten dazu beitragen, dass neue Ruheständler zukünftig deutlich weniger Geld im Portemonnaie haben. Die Bekämpfung von Altersarmut wird damit eine der wichtigsten Herausforderungen bleiben.

Deutlich mehr Menschen auf Grundsicherung im Alter angewiesen

So hat sich auch die Zahl der Bezieher von Grundsicherung bei Rentnern und Erwerbsminderungsrentnern zwischen 2003 und 2012 mehr als verdoppelt, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion hervorgeht. Ihre Zahl stieg von 439.000 auf 900.000.
Die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente für Menschen, die wegen einer Erkrankung ihren Beruf aufgeben müssen, sank ebenfalls in den letzten Jahren teils deutlich: von 700 Euro im Jahr 2000 auf 613 Euro im Jahr 2013. Dabei zeigt sich ein Trend hin zu psychischen Leiden: 42,7 Prozent der Neurentner mit Erwerbsminderungsrente erhielten diese Sozialleistung wegen einer psychischen Erkrankung.

Betrachtet man die Bezüge aller Ruheständler, erhielten 2013 Männer im Westen durchschnittlich 1.003 Euro Rente, Rentnerinnen 508 Euro. Im Osten Deutschlands bekamen Männer im Schnitt 1.096 Euro Rente und Frauen 755 Euro. Im vergangenen Jahr waren die Renten im Westen um 0,25 Prozent angehoben worden, im Osten um 3,29 Prozent. Insgesamt zahlte die Deutsche Rentenversicherung mehr als 25 Millionen Renten an rund 20,5 Millionen Versicherte aus.

Autor: Mirko Wenig

Versicherungsbote: BaFin - Lebensversicherung wird zum Auslaufmodell

BaFin - Lebensversicherung wird zum Auslaufmodell

BaFin - Lebensversicherung wird zum AuslaufmodellDie Finanzaufsicht BaFin sieht in der Lebensversicherung ein Auslaufmodell.
Foto: © frank-beer.com / BaFin
BaFin-Exekutivdirektor Felix Hufeld sieht in der traditionellen Lebensversicherung mit lebenslangen Garantien ein Auslaufmodell. Die niedrigen Zinsen könnten zudem zum Systemrisiko für die Versicherungsbranche werden. Weiterhin sei das geplante Lebensversicherungsreformgesetz zwingend notwendig, um die Stabilisierung der Lebensversicherer zu gewährleisten.

„So viel Bedrohung für die Branche gab es lange nicht mehr!“ - mit diesen Worten fasste Felix Hufeld, Exekutivdirektor Versicherungsaufsicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die aktuelle Situation der Versicherungswirtschaft Ende vergangenen Jahres zusammen.
Die Situation der deutschen Versicherungswirtschaft ist schwierig und wird sich in Zukunft sogar noch weiter verschärfen. Laut Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) planen Sieben der 90 Lebensversicherer das Neugeschäft komplett oder teilweise einzustellen. „Der Markt wird etwas schrumpfen, aber nicht dramatisch“, sagte BaFin-Präsident Elke König gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
„In der Lebensversicherung ist noch ein zu hoher Kostenblock enthalten.“, mahnte König im März die hohen Kosten im Vertrieb der Lebensversicherer an. Hufeld fügte kurz darauf an: „Die Vertriebskosten sind zwar absolut nicht gestiegen, doch verglichen mit der gesunkenen Marge ist ihr Anteil bei der Lebensversicherung zu hoch“.

BaFin: Lebensversicherung braucht mehr Produktinnovationen

Da ist es nicht verwunderlich, dass die Finanzaufsicht BaFin in der traditionellen Lebensversicherung im aktuellen Zinsumfeld ein Auslaufmodell sieht. Vor allem mehr Produktinnovationen seien nötig, um die Lebensversicherung wieder attraktiv zu machen. „Wir weisen stetig auf die Notwendigkeit eines breiteren Produktportfolios hin und ermutigen die Versicherer zu Innovationen", erklärte Hufeld in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Nachfrage nach klassischen Lebensversicherungen war in den vergangenen Jahren enorm gesunken. Zwar werfen laufende Verträge im Schnitt noch über drei Prozent ab. Im Rahmen des Lebensversicherungsreformgesetzes will die Bundesregierung den Garantiezins für Lebensversicherungen zum 1. Januar 2015 von derzeit 1,75 auf dann 1,25 Prozent senken. Dies soll ausschließlich für Neuverträge gelten. Für Kunden, bei denen seit geraumer Zeit eine große Verunsicherung in Sachen Altersvorsorge vorherrscht, wird die Lebensversicherung damit noch unattraktiver.
Bis dato haben nur vereinzelt Versicherer auf die veränderten Kundenwünsche reagiert und neue Policen am Markt platziert. Während Allianz und Ergo mit ihren Produkten bereits im vergangenen Jahr starteten und erste vernünftige Ergebnisse erzielten, zog Anfang des Jahres die Axa mit einem neuen Konzept nach. „Die ersten Monate scheinen ganz ermutigend. Viele Unternehmen warten das noch ab - aber das wird eher Monate als Jahre dauern.", erhofft Hufeld Nachahmer.

Das Lebensversicherungsreformgesetz ist kein Rettungspaket wie bei Banken

Insgesamt fällt es der Branche aktuell deutlich schwerer die garantierten Zinsen zu erwirtschaften. „Die niedrigen Zinsen sind ein nationales Systemrisiko für die Versicherungsbranche", sagte Hufeld. Sollte diese Phase länger andauern, könne dies die Finanzstabilität gefährden.

Die Kritik zum anstehenden Lebensversicherungsreformgesetz kann Hufeld indes nicht nachvollziehen. „Das Paket ist zwingend geboten. Überhöhte Ausschüttungen müssen gestoppt werden", erklärte der Exekutivdirektor. So diene das Paket nicht nur der Stabilisierung der Lebensversicherer. Sondern würde gleichzeitig für Verteilungsgerechtigkeit innerhalb des Versichertenkollektivs sorgen. „Wir reden hier nicht von einem Rettungspaket, wie man es für einige Banken geschnürt hat", sagte Hufeld.
 
Autor: Björn Bergfeld (Google+

Wirtschaftswoche: Bankberater packen aus: "Ich habe Sie betrogen"

Bankberater packen aus: "Ich habe Sie betrogen"

04. Februar 2008
Beratungsgespräch in einer Bank Quelle: Commerzbank AGBild vergrößern
Beratungsgespräch in einer BankQuelle: Commerzbank AG
von Melanie Bergermann (Frankfurt)
In vielen Filialen deutscher Banken herrschen Zustände wie in einer Drückerkolonne. Jetzt packen Bankberater aus: Wie sie Kunden belügen, weil sie dem Vertriebsdruck, den Drohungen und Demütigungen ihrer Vorgesetzten nicht mehr gewachsen sind. Sie sind Opfer und Täter zugleich. Der Report über ein Tabuthema.
Besser könnte der Eindruck nicht sein. Eine Dame in dunklem Anzug kommt dem Bankkunden schwungvoll entgegen. Karina B.* ist um die 30 und Privatkundenbetreuerin einer Filiale der SEB Bank im Ruhrgebiet. Sie lächelt verbindlich, nimmt den Kunden in der Eingangshalle mit festem Händedruck in Empfang und führt ihn zu ihrem tadellos aufgeräumten Schreibtisch. Bei einer Tasse Kaffee erkundigt sich Karina B. nach dem persönlichen Befinden – „und was machen die Kinder?“ Sie kennt den Kunden gut, sie weiß, was er auf der hohen Kante hat. Deswegen hat sie ihn ja heute eingeladen. Nach wenigen Minuten lenkt sie das Gespräch auf eine „ganz besondere Anlagechance“, ein Zertifikat für 10.000 Euro. Das, sagt sie, sei genauso sicher wie Festgeld, die Rendite garantiert, genau das Richtige für ihn. Der Kunde ist schnell überzeugt: „Wenn Sie das sagen, wird es schon stimmen.“
Ein Fehler. Das Produkt, das ihm Karina B. gerade verkauft hat, ist in Wahrheit hoch spekulativ. Das Geld ist genauso wenig sicher wie die versprochene Rendite. Die schicke Dame hat ihren Kunden eiskalt angelogen. Am Morgen hatte ihr Chef die Devise ausgegeben, jeder Berater der Filiale müsse ein 10.000-Euro-Zertifikat verkaufen. Und Karina B. weiß: Wenn sie ihren Arbeitsplatz behalten will, muss sie die Vorgaben erfüllen. Egal wie. Die SEB wollte zu dieser Verkaufspraxis keine Stellungnahme abgeben.
So beschreibt Karina B. ihren Arbeitsalltag. Die WirtschaftsWoche hat in den vergangenen Monaten Dutzende von Filialangestellten verschiedener Banken in Deutschland interviewt – von Commerzbank und HypoVereinsbank bis zur schwedischen SEB, von der kleinen Weberbank in Berlin bis zur Deutschen Bank und den großen Sparkassen. Karina B. ist eine von ihnen, die in langen Gesprächen ausgepackt haben: über die Angst vor Kollegen und Vorgesetzten und darüber wie sie Kunden Produkte aufschwatzen, die diese gar nicht brauchen. Der WirtschaftsWoche liegen interne Mails und Papiere vor, die belegen, dass in der vermeintlich seriösen Branche nicht selten Zustände herrschen wie in einer Drückerkolonne.
Der Fall des Derivatehändlers Jérôme Kerviel, dessen betrügerische Spekulationen seine Bank, die französische Société Générale, 4,9 Milliarden Euro kosteten, sorgte in den vergangenen Tagen weltweit für Schlagzeilen. Ein solch gigantisches Betrugsvolumen ist ein Ausnahmefall. Allerdings, das belegen Recherchen der WirtschaftsWoche, gehören Tricksereien zum Alltag des Bankgeschäfts. Sicher: Nicht jeder Bankmitarbeiter bedient sich unlauterer Methoden, um die von ihm geforderten Ziele zu erreichen. Doch die wachsende Vertriebsnot in den Filialen treibt viele Mitarbeiter gerade dazu an. Zum Schaden der Banken – vor allem aber der Kunden.
Es ist ein ausgeklügeltes System individueller Vertriebsziele – unterfüttert mit Drohungen und Demütigungen –, das den Traumjob Banker für viele Privatkundenberater zum Albtraum macht. Und für die Kunden den Besuch einer Filiale zum unkalkulierbaren Risiko. Denn aus dem Berater von früher ist ein Verkäufer geworden, der oft leichtes Spiel hat: „Wenn sich jemand ein Auto kauft, vergleicht er vorher die Preise, wenn jemand ein Bankprodukt kauft, tut er das nicht“, sagt ein Berater der Berliner Weberbank. „Deshalb funktioniert der Vertriebsdruck der Banken so gut“, sagt Friedrich Schade, der 15 Jahre lang angestellter Banker bei verschiedenen Instituten war und heute für einen Finanzdienstleister arbeitet. „Die Menschen vertrauen den Bankern oft blind.“ Sie verzichten darauf, sich Verträge durchzulesen, Renditen zu vergleichen oder sich bei verschiedenen Banken beraten zu lassen.
Die individuellen Vertriebsziele unterscheiden sich von Bank zu Bank: Einige Institute fordern von ihren Mitarbeitern, ein bestimmtes Ertragsziel zu erfüllen, andere schreiben den einzelnen Beratern genau vor, wie viele Lebensversicherungen, Kredite oder Fonds sie pro Woche verkaufen müssen und für wie viele Neukunden sie zu sorgen haben. Und diese Vorgaben haben sie zu erfüllen. Irgendwie. Sie stehen unter ständiger Beobachtung ihrer Vorgesetzten, müssen sich rechtfertigen, wenn ein Kunde die Filiale verlässt, ohne einen Vertrag abzuschließen. In den Aufenthaltsräumen einiger Filialen hängen Mitarbeiter-Rankings aus, die schlechte Verkäufer bloßstellen. Oft wird auch mit Kündigung gedroht.
„Wenn es darauf ankommt, verkaufen wir einem Eskimo einen Kühlschrank“, sagt Claudia S.*, langjährige Mitarbeiterin der Dresdner Bank. „Signalisiert der Vorgesetzte, dass er Sie schon irgendwie aus dem Job kriegt, falls Sie die Ziele nicht erreichen“, sagt ein Betriebsrat einer Frankfurter Großbank, „dann kommt es eben so weit.“ Die Dresdner Bank möchte die Äußerung ihrer Mitarbeiterin nicht kommentieren.
Karina B. und viele ihrer Kollegen bei anderen Banken empfehlen den Kunden, neue gegen alte Aktien zu tauschen, auch wenn es gar nichts bringt; sie drehen den Kunden Zertifikate an, selbst wenn Fest- oder Termingelder sinnvoller wären; sie drängen zum Abschluss überflüssiger Versicherungen. Und all das nur, weil sie die Produkte aktuell noch verkaufen müssen oder der Bank hohe Provisionen winken.
„Die Zahl von Falschberatungen hat in den vergangenen Jahren zugenommen“, sagt Eva Raabe, Bankenexpertin bei der Verbraucherzentrale Hessen. Viele Banker, mit denen sie spricht, würden ganz offen sagen: „Wir müssen doch unsere Ziele erreichen.“ Genau darin liegt für Kritiker das Problem: „Die Mitarbeiter würden anfangen, den Kunden Produkte anzudrehen, die sie nicht brauchen“, sagt ein Sprecher der ING Diba, die auf individuelle Vertriebsziele verzichtet. „Eine solche Kultur wollen wir nicht bei uns.“ Das Institut ist so immerhin Direktbank-Marktführer in Deutschland geworden.
Auch bei der GLS Bank in Bochum, die sich auf ethisch-ökologische Investitionen spezialisiert hat, gibt es die umstrittenen Vorgaben nicht. „Die individuellen Ziele können Mitarbeiter so unter Druck setzen, dass der Kunde die für ihn falschen Produkte angedreht bekommt“, sagt GLS-Chef Thomas Jorberg. „Mit vorgegebenen aggressiven Vertriebsmethoden schafft ein Vertriebsverantwortlicher die Voraussetzung für unzufriedene Kunden und Schäden durch Falschberatung.“
So wie im Fall Karina B. Das 10.000-Euro-Zertifikat hat sie heute schon verkauft. Nun sitzt ein Neukunde vor ihr. Der Mann plaudert offen über seine Vermögenssituation, wo er investiert hat und wo nicht. Vor allem aber erfährt Karina B., wie gut er informiert ist – wie weit sie also bei ihm gehen kann.
Sie empfiehlt ihm, sein Gespartes in einen Fonds einzuzahlen. Und da er, wie er sagt, jeden Monat einige Hundert Euro übrig hat, soll er gleich noch einen Fonds-Sparplan abschließen. Um seine Altersvorsorge müsse er sich ebenfalls kümmern: „Sie wollen mit 65 doch nicht jeden Cent dreimal umdrehen müssen?“ Natürlich nicht. Genauso wenig will er sich die Top-rendite der Fonds entgehen lassen, die Karina B. ihm prophezeit.
Trotzdem. Heute unterschreiben will er nicht. Er möchte sich die Unterlagen zu Hause noch einmal in Ruhe durchsehen. Für Karina B. ist das eine Katastrophe.
Sie muss den Kunden irgendwie überzeugen, auch wenn sie nur allzu gut versteht, dass er nichts überstürzen will. Denn wenn er jetzt nicht unterschreibt, wird sie gleich ihrem Chef erklären müssen, warum sie in dieser Stunde keinen Ertrag für die Bank erwirtschaftet hat. Erfahrungsgemäß kommt der Kunde zwar wieder, das Geschäft verzögert sich nur um ein paar Tage. Doch sie darf ihm nicht dazu raten, die Unterlagen daheim noch einmal in Ruhe zu lesen. Ihr Chef hat früher schon einmal deutlich gemacht, dass er solch „geschäftsschädigendes Verhalten“ nicht duldet: „Wenn Sie das noch einmal machen, gibt es eine Abmahnung“, drohte er damals. Die SEB möchte über diesen Aspekt der Vertriebspraxis keine Stellungnahme abgeben.
Karina B. muss, so berichtet sie, wöchentlich einen Rohertrag, abzüglich aller Kosten, in Höhe von rund 1500 Euro erwirtschaften. Mit den individuellen Vertriebszielen konfrontiert, beharrt die SEB auf ihrer Vertriebsphilosophie: „Natürlich messen wir auch Produktabschlüsse. Vertriebs- und Ergebnisorientierung bedeutet für die SEB Bank auch, Mitarbeiter an den Vertriebserfolgen zu messen“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.
Die Vorgaben von Karina B. sind in Einzelziele für die verschiedenen Produktkategorien unterteilt. Pro Woche musste sie im vergangenen Jahr, wie aus internen Dokumenten hervorgeht, im Durchschnitt 1,3 Konsumentenkredite über 12.000 Euro verkaufen, dazu 0,4 Restschuldversicherungen, 1,4 neue Kunden musste sie werben. Solche Vorgaben gibt es für jedes Produkt.
Zu ihren eigenen Verkaufsvorgaben muss Karina B. auch die der Filiale erfüllen, also die Schwäche anderer Kollegen ausgleichen. Von der SEB heißt es dazu, dass es zu einer ertragsorientierten Organisation gehöre, „Vertriebsziele für Standorte zu definieren, nachzuhalten und zu überprüfen. Im Vordergrund stehen die Teamleistung und das Teamergebnis“.
Was Karina B. gerade ihren Kunden empfiehlt, orientiert sich auch daran, in welchen Kategorien sie oder die Filiale aufholen müssen. Am 3. Mai vergangenen Jahres schreibt ein Vorgesetzter an die Mitarbeiter eine E-Mail, die der WirtschaftsWoche vorliegt: „Im Vorsorgebereich ist die Produktion für diese Woche bei 0“, heißt es da. „Auch die Vorwoche hat nicht zum 100%igen Ergebnis geführt. Die Aktivitäten sind umgehend in Form von Cross-Selling aus den vorhandenen Terminen sowie Termingenerierung sofort zu erhöhen.“ Am 7. Mai heißt es in einer weiteren Alarm-E-Mail, die Wochenplanung bedinge „eine Erhöhung der Produktion im Sofortkreditgeschäft“. Und im Vorsorgegeschäft „ist die wöchentliche Produktion zu 100% zu erbringen, d.h. tägliche Produktion“. Zwei Tage später dann die Ermahnung, sich weiter auf Sofortkredite und Vorsorge zu konzentrieren, „hier reicht es noch nicht aus. Wir brauchen hier noch ein paar Tickets für die Woche“.
Noch vor zehn Jahren sah die Bankenwelt anders aus. „Damals wurden auch Ertragsziele formuliert, allerdings für das ganze Jahr“, sagt Ex-Banker Schade. „Wir hatten genügend Zeit, um die Leute anzusprechen und interessengerecht zu beraten. Trotzdem haben wir jedes Jahr unsere Ergebnisse gesteigert.“ Ziele für einzelne Produkte habe es nicht gegeben. Es war kein Problem, wenn der Wertpapierexperte mehr Wertpapiere und der Versicherungsfachmann mehr Versicherungen verkaufte.
Die großen Gewinne machten die Banken damals ohnehin im Investmentbanking. Als diese Einnahmequelle nach dem Börsencrash 2001 zunächst nicht mehr so viel abwarf und die Provisionen nicht mehr von alleine flossen, sollten die Privatkunden mehr Produkte kaufen und die Gewinneinbrüche mildern.
Vor dem Problem standen alle Banken weltweit, doch in Deutschland ist der Privatkundenmarkt aufgrund der starken Position der Sparkassen und Genossenschaftsbanken besonders umkämpft. Gerade Geschäftsbanken, die über Jahre ihre Privatkunden vernachlässigt hatten, versuchten in den vergangenen Jahren mit niedrigen Kreditzinsen und hohen Guthabenzinsen Privatkunden zu ködern.
Das hat zu einem Preisverfall geführt, der Zinsüberschuss – der Gewinn aus dem klassischen Bankgeschäft, dem Leihen und Verleihen von Geld – sank in den vergangenen Jahren kontinuierlich (siehe Grafik). Daher sind die Institute stärker auf Provisionen aus der Vermittlung etwa von Fonds oder Versicherungen angewiesen. Dieses Geschäft anzukurbeln ist die Hauptaufgabe der Berater in den Filialen, wo „gerade bei den großen Banken oft gnadenloser Druck herrscht“, sagt Schade. „In den vergangenen Jahren sind die Renditeerwartungen im Privatkundengeschäft sehr deutlich gestiegen“, sagt Uwe Foullong,Bundesvorstand der Gewerkschaft Verdi und zuständig für Finanzdienstleistungen, „der Verkaufsdruck auf die Mitarbeiter ist spürbar stärker geworden.“
Beratungsgespräch in einer Bank Quelle: Deutsche Bank AG
Beratungsgespräch in einer BankQuelle: Deutsche Bank AG
Morgens acht Uhr, eine Filiale der Commerzbank im Ruhrgebiet. Privatkundenberater Gisbert W.* hat am Wochenende kaum geschlafen, immer wieder ist er aufgewacht und musste an diesen Montag denken. Wie soll er seinen Kollegen erklären, dass er zwar Girokonten eröffnet und Kredite verkauft hat, es mit Wertpapieren aber nicht so geklappt hat? Alle Vertriebsmitarbeiter treffen sich nun zum Gruppengespräch. Sie sitzen auf ihren Bürostühlen, die sie im Kreis aufgestellt haben.
Der Filialleiter berichtet, welche Produkte das Team in der vergangenen Woche verkauft und wie viel Ertrag das gebracht hat. Dann schaut er jeden einzelnen Mitarbeiter im Kreis an und spricht es aus: „Das waren 98 Prozent dessen, was Sie zu erreichen hatten. Das ist zu wenig. Wenn andere Filialen 120 Prozent schaffen, warum dann Sie nicht?“ Dass im strukturschwachen Ruhrgebiet Geldanlage nicht gerade der Renner ist, will er nicht hören. Auch dass in der vergangenen Woche zwei Kollegen krank waren, lässt er nicht gelten. Jeder Einzelne muss ran und vor den anderen berichten, was er verkauft hat.
Ähnlich wie bei der SEB muss ein Commerzbank-Mitarbeiter bestimmte Ertragsvorgaben erreichen, unterteilt in Ziele für bis zu fünf einzelne Produkte. Hierzu heißt es von der Commerzbank: „Vorgesetzter und Mitarbeiter vereinbaren gemeinsam individuelle Ziele, deren Umsetzung überprüft wird.“
„Die Liste mit dem, was man schon verkauft hat und welche Produkte in dieser Woche noch raus müssen, haben wir ständig präsent“, sagt Gisbert W. „Die Beratung der Kunden orientiert sich daran, was die Bank will, und nicht daran, was der Kunde braucht.“ Für diese Aussage eines ihrer Filialmitarbeiter „haben wir keine Erklärung. Die Aussage ist aber insofern nicht nachvollziehbar, als sie nicht der Beratungsrealität der Commerzbank entspricht“, heißt es in einer Stellungnahme der Bank.
Nun ist an jenem Montagmorgen Gisbert W. an der Reihe. „Halten Sie sich selbst für einen Gewinn für die Filiale“, fragt ihn sein Chef. „Ich hoffe schon“, antwortet der Berater. Daraufhin fragt der Chef die Kollegen: „Halten Sie den Kollegen für eine Bereicherung?“ Die Antworten fallen kurz aus. „Du musst mal zu Potte kommen“, sagt einer. „Du musst mal ein paar Leute mehr anrufen, wenn du Fonds verkaufen willst“, sagt ein anderer. Jeder darf – und soll – in dieser Runde offen sagen, was er von den Leistungen der anderen hält.
Von der Commerzbank heißt es hierzu, dass Leistungen eines einzelnen Mitarbeiters nur im direkten Gespräch mit dem Vorgesetzten und nicht in der Gruppe besprochen würden. „Darüber hinaus gehören auch Teamrunden in unserer Bank ganz selbstverständlich zur Führungskultur unseres Hauses.“ Dazu, ob Krankenstände bei der Festsetzung der Teamziele berücksichtigt werden, wollte sie sich nicht äußern.
Montag, 15 Uhr, in einer Filiale der Deutschen Bank im Rhein-Main-Gebiet. Jetzt ist Christiane B.* dran. Sie muss zum Leistungsgespräch. Den ganzen Tag über hat die Deutsche-Bank-Mitarbeiterin ständig auf die Uhr geschaut, es hat ihr gegraut vor diesem Moment. Wie jedes Mal. Sie betritt das Büro ihres Chefs, setzt sich ihm gegenüber an den Schreibtisch. „Was können wir für Sie tun“, fragt er. „Fühlen Sie sich nicht wohl bei uns?“ Sie blickt ihn nur an und schweigt. „ Sie sind nicht richtig bei der Sache. Sie schließen viel weniger Verträge ab als ihre Kollegen. Das muss besser werden. Sie müssen mehr verkaufen, dafür sind Sie hier.“ Christiane B. nickt nur.
Sie weiß nicht, was sie noch sagen soll. In den ersten Gesprächen hat sie noch versucht zu erklären, wie viele Termine sie ausmacht, wie sie versucht, die Kunden zu überzeugen. Aber jetzt will sie das Gespräch nur irgendwie durchstehen. Eigentlich glaubt sie nicht, dass sie wirklich so schlecht abschneidet, die anderen haben schließlich auch nicht mehr Kundentermine als sie. Und erst in der vergangenen Woche lief eine Kollegin nach dem Vertriebsleistungsgespräch weinend aus dem Büro des Filialleiters. Aber Christiane B. weiß nicht, wo sie steht. Darüber, wie viel sie verkaufen, reden die Kollegen nicht. „Das behält jeder für sich“, sagt sie. „Ich glaube, jeder hat Angst davor, dass er am Ende doch der Schlechteste ist.“ Die Deutsche Bank wollte sich nicht dazu äußern, ob es zutrifft, dass jeder Mitarbeiter individuelle Vertriebsziele zu erfüllen hat und ob es regelmäßige Vertriebsleistungsgespräche gibt.
Eine Ruhrgebietsstadt am späten Nachmittag. Marlene I. ist Mitarbeiterin einer SEB-Filiale. Sie hat Feierabend. Endlich. Heute, so denkt sie, wird sie entspannt nach Hause gehen können. An einem Tag hat sie so viel Geschäft gemacht, wie sonst in einer Woche. Eigentlich Grund genug, um eine Flasche Champagner zu köpfen. Aber als sie sich auf den Heimweg macht, kassiert sie Schelte vom Vorgesetzten; er beklagt sich, dass sie heute nicht einen einzigen Konsumentenkredit verkauft hat. Morgen müsse sich das ändern.
Bei den Kollegen wird der Erfolg ebenfalls für wenig Freude sorgen, das weiß sie jetzt schon. Zwar verbessert er die Stellung der Filiale im Vergleich zu den anderen Niederlassungen, doch „wenn einer outperformt, setzt das die anderen unter Druck. Dann wird von ihnen auch mehr erwartet“, sagt Marlene I. Wenn andere Kollegen mehr Ertrag abliefern, kann auch ein Mitarbeiter, der seine Ziele erfüllt, im internen Ranking nach unten rutschen. Gehört er zu den fünf bis zehn Prozent derer, die am wenigsten verkauft haben, gilt er als „Low-Performer“ – und steht auf der Abschussliste, wenn die Zahlen nicht binnen drei Monaten besser werden. Die SEB kommentierte das nicht.
Dabei ist es gar nicht so einfach, einen „Schlechtleister“ loszuwerden. „Wenn Mitarbeiter einen Bonus dafür erhalten, dass sie ihre Ziele erreichen, kann man ihnen nicht kündigen, nur weil sie die Ziele nicht geschafft haben“, sagt Regina Glaser, Anwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Düsseldorf. „Unterschreitet jedoch ein Mitarbeiter dauerhaft mehr als ein Drittel der durchschnittlichen Arbeitsleistung der vergleichbaren Kollegen und kann der Arbeitgeber dies anhand objektiv messbarer Ergebnisse darlegen, dann kommt gegebenenfalls nach vorheriger Abmahnung eine Kündigung in Betracht.“ Das sei aber schwer nachzuweisen, „da es auch an den Kunden liegen kann, dass ein Berater weniger Abschlüsse gemacht hat“, sagt Glaser.
Die von der WirtschaftsWoche interviewten Mitarbeiter wissen von subtileren Methoden als der blanken Kündigung. „Bei uns ist es vorgekommen, dass alle Filialmitarbeiter Überstunden machen mussten, weil ein Einziger seine Ziele nicht erfüllt hat“, berichtet ein Betriebsrat einer Frankfurter Großbank. „Das wurde so lange gemacht, bis alle genügend Druck auf den Kollegen ausgeübt haben, dass er gegangen ist. So etwas hält niemand aus.“
Gerhard W.*, Kundenbetreuer der HypoVereinsbank (HVB), berichtet, dass in seiner Abteilung Listen aushängen, die Auskunft darüber geben, welcher Mitarbeiter mit welchem Volumen zum Teamziel beigetragen hat. Die HVB bestreitet das. „Wer dauerhaft schlecht abschneidet, hat einen schlechten Stand bei den Kollegen“, sagt Gerhard W. „Es wird über die Schlechten gelästert, wenn sie dabei sind. Sie sollen ein schlechtes Gefühl bekommen, damit sie sich mehr anstrengen. In meinem Team gab es jemanden, der wurde irgendwann einfach ignoriert. Man hat so getan, als gebe es ihn gar nicht. Er wurde weder gegrüßt noch hat jemand mit ihm geredet.“
Der Kampf jeder gegen jeden hat in vielen Filialen die Teamarbeit abgelöst. Individuelle Vertriebsziele haben sich auf breiter Basis in der Bankenlandschaft durchgesetzt. „In Sachen Vertriebsdruck sind die privaten Banken Trendsetter. Volksbanken und Sparkassen folgen. Sie hinken nur etwas hinterher“, sagt Verdi-Vorstand Foullong. Offiziell formulieren einige Institute zwar bis heute nur Verkaufsziele auf Ebene der Filialen. „Doch die Filialleiter brechen die Ziele auf jeden einzelnen Mitarbeiter herunter“, bestätigen mehrere Mitarbeiter der Dresdner Bank gegenüber der WirtschaftsWoche. Die Dresdner Bank bestreitet das.
In manchen Banken werden die Ziele sogar mit konkreten zeitlichen Vorgaben verknüpft. HVB-Mitarbeiter Gerhard W. berichtet, er dürfe für eine Baufinanzierungsberatung höchstens eine Stunde aufwenden. Sonst gebe es Ärger mit dem Vorgesetzten. Die HVB bestreitet auch das.
Bei der DB Direkt, der Direktbank-Gesellschaft der Deutschen Bank, soll ein Mitarbeiter für das Gespräch mit einem Kunden, der eine Überweisung tätigen will, inklusive Nachbearbeitung durchschnittlich höchstens 2.50 Minuten aufwenden. So lautet, wie Betriebsräte der WirtschaftsWoche bestätigen, die Vorgabe des Arbeitgebers. Für Expertengespräche, zu denen etwa der Abschluss eines Kreditkartenvertrags gehört, liegt die Vorgabe bei 3.35 Minuten, für Wertpapiergeschäfte inklusive Nachbearbeitung bei vier Minuten.
Ein Teil der Gehälter wird bei der DB Direkt nur dann ausgezahlt, wenn die Mitarbeiter ihre Ziele erreichen. Doch das scheint kaum möglich. Die Wertpapierexperten haben ihr Zeitziel seit der Einführung 2003 nicht einmal erreicht. Die Mitarbeiter, die für Expertengespräche zuständig sind, haben ihr Ziel bis 2005 erreicht. Dasselbe gilt für Mitarbeiter, die sich um Tätigkeiten wie Überweisungen kümmern – dann wurde die Zeitvorgabe verschärft. Seitdem verfehlen auch sie ihr Ziel. Das berichten Betriebsräte und Mitarbeiter. Die Deutsche Bank will sich dazu nicht äußern. In einer Stellungnahme heißt es, dass „der Kunde und seine Erwartungen an die Bank im Mittelpunkt“ stünden. „Entsprechende Servicekomponenten, die wir monatlich durch ein unabhängiges Institut im Dialog mit unseren Kunden überprüfen lassen, werden unmittelbar als Messpunkte für die Zielerreichung herangezogen.“ Das Kriterium „Gesprächszeit ist in diesem Modell nachgelagert“.
Die Mitarbeiter empfinden die Zeiterfassung nicht als nachrangig – sondern als deprimierend. Ihnen werde ständig das Gefühl vermittelt, sie seien nicht gut genug, sagt ein Angestellter.
Dieses System der Angst hat Folgen. Nach einer Mitarbeiterbefragung des Commerzbank-Betriebsrats aus dem Jahr 2006 hagelte es deprimierende Erfahrungsberichte, die im Intranet veröffentlicht wurden. „Seit Monaten kann ich in der Nacht zu Montag kaum schlafen. Pro Woche schlage ich mir meist noch ein bis zwei weitere Nächte um die Ohren.“ Ein Filialleiter schreibt, dass er „montagmorgens überwiegend in desillusionierte Gesichter“ schaut. „Auch Angst vor der Zukunft und Tränen gehören zur Tagesordnung.“ „Wache nachts auf und komme gar nicht mehr zur Ruhe.“ „Am Wochenende kann ich nicht abschalten, weil ich weiß, was mich in der nächsten Woche erwarten wird.“ „Es tut weh, MA (MA: Mitarbeiter, Anm. d. Red.) weinen zu sehen, weil sie sich angesichts der hohen Ziele in einer strukturschwachen Filialgegend als „Verlierer“ oder „Versager“ fühlen“, ist dort zu lesen.
Dass es sich hierbei nicht nur um eine kleine Zahl enttäuschter Commerzbanker handelt, wird gestützt durch eine Untersuchung der Krankenkasse DAK. Demnach halten 45 Prozent der befragten Vertriebsmitarbeiter im Kreditgewerbe, die an sie gestellten Zielvorgaben für unrealistisch. Auffällig ist auch, dass psychische Erkrankungen hier häufiger vorkommen als in anderen Branchen. In 12,4 Prozent aller Fälle melden sich Arbeitnehmer im Kreditgewerbe aus psychischen Gründen krank. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt der Fehlzeitenreport der Krankenkasse AOK. Demnach nahm die Anzahl der Tage, die Bankmitarbeiter in Deutschland wegen psychischer Erkrankungen fehlten, zwischen 1995 und 2006 um 43 Prozent zu, die Zahl der einzelnen Fälle gar um 70 Prozent.
Für die Kunden ist die Verwandlung der Berater in einfache Verkäufer eine Katastrophe. „Sie können sich nicht sicher sein, ob sie ein Produkt empfohlen bekommen, weil es wirklich gut ist oder weil es in dieser Woche noch verkauft werden muss“, sagt Dresdner-Bank-Beraterin Claudia S. „Ich habe Kunden über den Tisch gezogen und habe ihnen Produkte mit schlechten Konditionen verkauft“, sagt HVB-Mitarbeiter Gerhard W. Die Dresdner Bank wollte zu der Aussage keine Stellungnahme abgeben. Von der HVB heißt es: „Durch die Transparenz des Baufinanzierungsmarktes hat jeder Kunde die Möglichkeit eine Finanzierung abzuschließen, die seinen Vorstellungen hinsichtlich Produkt und Kondition entspricht.“
Ein Mitarbeiter einer großen Sparkasse berichtet, dass er regelmäßig Darlehen zum Hausbau nur unter der Bedingung gegeben hat, dass die künftigen Immobilienbesitzer auch eine Gebäudeversicherung abschließen. Die Versicherung brachte zusätzlichen Ertrag. Mitarbeiter der Commerzbank und der SEB Bank bekennen gegenüber der WirtschaftsWoche, dass sie Kunden dazu motivieren, ihre Wertpapiere gegen andere einzutauschen, sobald sie Gewinn gemacht haben, „auch wenn davon auszugehen ist, dass die Papiere noch gut laufen und der Verkauf nachteilig für den Kunden sein wird“, sagt SEB-Beraterin Marlene I.
Der Bank bescheren sie damit Einnahmen durch Ordergebühren und bringen sich selbst aus der Schusslinie. Von der Commerzbank heißt es hierzu, diese Behauptung „ist für uns nicht nachvollziehbar. Verkaufsempfehlungen werden nur aufgrund einer aktuellen Markteinschätzung und der Anlageziele des Kunden getroffen“. In einer schriftlichen Stellungnahme der SEB heißt es, „wir betrachten es als ein Zeichen von Kundenorientierung und aktiver Kundenansprache, Wertpapierkunden auch darauf hinzuweisen, Gewinne zu realisieren, insbesondere in diesen turbulenten Börsenphasen. Ob die Wertpapiere weiter gestiegen wären, ist reine Spekulation“.
„Viele Berater haben mit inneren Konflikten zu kämpfen“, sagt Gewerkschafter Foullong „sie stehen vor der Wahl, einem Kunden ein Produkt zu verkaufen, das er vielleicht gar nicht braucht, oder ihr Ziel nicht zu erreichen.“ Der Mitarbeiter einer ausländischen Großbank gibt zu, dass er Anlegern riskante geschlossene Fonds so schmackhaft gemacht hat, bis sie endlich unterschrieben. „Ich konnte wochenlang nicht schlafen. Der Kunde tat mir leid, aber ich hatte auch Angst, dass alles rauskommt“, sagt er. Als er seinem Chef davon erzählte, soll der ihm auf die Schulter geklopft und gesagt haben: „Mach dir keine Sorgen, es passiert schon nichts.“ Dergleichen kommt nicht nur bei den großen Banken vor, wie der Fall Dieter P.* zeigt.
Bei der Weberbank in Berlin, einem Institut, das vor allem reiche Privatkunden bedienen will, liegt der Kundenbesprechungsraum im Erdgeschoss am Hohenzollerndamm. Milchglasscheiben sorgen für Diskretion. Lichtspots an der Decke leuchten den Raum aus. An einem ovalen Tisch aus hellem Holz treffen sich die Wohlhabenden mit den Bankern. Die Kunden kennen ihre Berater meist lange Jahre, sie verbindet ein Vertrauensverhältnis. Doch das Vertrauen ist nicht immer gerechtfertigt. Vor allem bei älteren Kunden habe er das Vertrauen ausgenutzt, bekennt Weberbank-Berater Dieter P. „Ich habe einem fast 80 Jahre alten Mann eine individuelle Vermögensverwaltung verkauft“, sagt er, „obwohl das zweifelsohne nicht mehr das Richtige für ihn war.“
Bei einer individuellen Vermögensverwaltung muss der Kunde mindestens 500.000 Euro in ein Depot einzahlen, mit dem die Bank dann arbeitet. Sie investiert das Geld dann etwa in Aktien. Weil hier allerdings naturgemäß Schwankungen an den Märkten einkalkuliert werden müssen, sollte laut Dieter P. seriöserweise immer mit einer Laufzeit von mindestens fünf Jahren gerechnet werden. „Das kann man keinem alten Kunden ohne erkennbaren Erbhintergrund empfehlen“, sagt der Berater. „Trotzdem habe ich das gemacht. Die Erträge für eine separate Vertriebsaktion haben gewunken.“ Es könne „absolut angezeigt sein, einem fast 80 Jahre alten Mann eine Vermögensverwaltung zu empfehlen“, sagt Wolfgang Harth, Leiter des Privatkundengeschäfts der Weberbank in Berlin dazu.
Einer anderen Kundin, die sich in Finanzangelegenheiten nicht auskannte, hat Dieter P. empfohlen, einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens in einen Lebensversicherungsfonds zu investieren. Das Geschäft war mit neun Prozent der Anlagesumme für die Bank hoch provisioniert – und das war für Dieter P. die einzige Motivation der Kundin das Produkt zu empfehlen. Harth sagt, dass einzig die Kundenbedürfnisse Grundlage der Beratung seien.
Dieter P. sieht das anders. Er erklärt, dazu aufgefordert worden zu sein, gerade hoch provisionierte Produkte zu verkaufen. Zudem werde dafür gesorgt, dass jeder Berater sehen kann, wo er im internen Vertriebsranking steht. „Es werden Listen mit allen Einzelabschlüssen bei der Teamassistenz geführt. Die sind für alle Teammitglieder jederzeit einsehbar“, sagt er. Weberbank-Vorstand Klaus Siegers dagegen erklärt, die Listen könnten nicht von allen Teammitgliedern eingesehen werden, sie dienten vielmehr der Teamleitung zur Ertragskontrolle. „Innerhalb eines Teams sind Teilaspekte (ca. 30% der Geschäfte) von den anderen Teammitgliedern einsehbar“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.
Im ersten Gespräch mit einem Kunden horcht Dieter P., so berichtet er, ganz genau nach, wie gut der sich auskennt. Die informierten und selbstbewussten Kunden seien unbeliebt und würden im Kollegenkreis als „Patienten“ bezeichnet. Harth bestreitet das.
Dass sich am Umgang mit den Kunden durch die seit Anfang des Jahres geltende Finanzmarktrichtlinie MiFID etwas ändert, glaubt Dieter P. nicht. Eigentlich sollte sie die Rechte der Verbraucher stärken, sie schreibt vor, dass Berater ihre Provisionen offenlegen. Doch zum einen würden die Gebühren nur im Kleingedruckten aufgeführt. Zum anderen schütze auch die Richtlinie den Kunden nicht davor, dass ihm ein günstigeres oder für ihn geeigneteres Produkt vorenthalten wird.
Grund genug für ein schlechtes Gewissen? „Ein schlechtes Gewissen kann ich mir nicht leisten“, sagt Dieter P. Der Ertrag der Bank soll jährlich gesteigert werden. „Dafür bezahlt mich die Bank.“
Genau das ist das Grundproblem. Die Berater werden von den Banken bezahlt, sollen aber eigentlich im Sinne der Kunden handeln. Damit sich die Kunden der Loyalität des Beraters sicher sein könnten, müssten sie ihn bezahlen. Die Quirin Bank in Berlin verlangt von Kunden daher eine Pauschale und zahlt ihnen als Gegenleistung die Provisionen aus, die sie von den Produktanbietern bekommt. Das Modell konnte sich aber bisher nicht durchsetzen. „Durch den Preiskampf der Banken hat sich in der Bevölkerung die Vorstellung durchgesetzt, dass bei den Banken vieles umsonst ist“, sagt Ex-Banker Schade.
So wird aus einer Beratertruppe eine Drückerkolonne: „Wenn ein Kunde unzufrieden mit mir ist, halte ich das eher aus, als wenn mein Chef unzufrieden ist“, sagt Weberbanker Dieter P. „Denn der Kunde sitzt nur ein- bis zweimal im Jahr vor mir. Außerdem kann ich ihm meistens etwas vormachen. Vor meinem Chef muss ich mich einmal die Woche rechtfertigen. Abwechselnd alleine beim Vertriebsleistungsgespräch und mit meinen Kollegen bei der Teambesprechung. Vor ihm kann ich mich nicht herausreden.“ Die Weberbank bestreitet, dass es diese Vertriebsleistungsgespräche gibt. Stattdessen würde in den Mitarbeitergesprächen über aktuelle Marktentwicklungen gesprochen. Dabei ginge es darum, gemeinsam zu erörtern, welche Anlageprodukte „für welche Kunden angesichts der jeweils aktuellen Lage opportun sind“, heißt es.
Was für die Kunden opportun ist – die Muße, sich darüber Gedanken zu machen, hat SEB-Beraterin Karina B. nicht. Ihr graut am Mittwoch schon wieder vor dem Ende der Woche. Denn ob sie ihr Verkaufsziel in der Sparte Vorsorge noch schafft, ist ungewiss. Wenn der Kunde, der jetzt vor ihr sitzt, nicht unterschreibt – dann erst recht. Dann, so fürchtet sie, wird sie sich anhören müssen, dass sie ein „Low-Performer“ ist. Und dass sich ihr Arbeitgeber so eine Angestellte nicht leisten kann.
* Name von der Redaktion geändert

Versicherungsvergleiche im Internet sind oft irreführend und wettbewerbsverzerrend


Versicherungsvergleiche im Internet sind oft irreführend und wettbewerbsverzerrend

Versicherungsvergleiche im Internet sind oft irreführend und wettbewerbsverzerrendImmer mehr Verbraucher schließen Versicherungen online ab. Aber wie ist es um die Beratungsqualität bei Vergleichsportalen bestellt?
Foto: TheAngryTeddy@Pixabay.com (Ausschnitt)
Online-Vergleiche für Versicherungen sind oft irreführend und wettbewerbsverzerrend, behauptet Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt Universität zu Berlin. Anlass für Versicherungsbote, bei dem Versicherungsexperten nachzufragen: Warum hält Schwintowski Online-Abschlüsse über Vergleichsportale für rechtswidrig? Und wie schätzt der Rechtswissenschaftler die Zukunftsperspektiven für das persönliche Beratungsgespräch ein?


Versicherungsexperte Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski lehrt und forscht an der Humboldt-Universität Berlin
VersicherungsboteSehr geehrter Herr Schwintowski, auf einer Veranstaltung des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) haben Sieargumentiert, Online-Vergleichsplattformen für Versicherungen würden nicht die rechtlichen Anforderungen erfüllen. Welche Vergleichsportale haben Sie dafür untersucht?
Hans-Peter Schwintowski: Wir haben alle Vergleichsportale angeschaut, die Versicherungsprodukte anbieten - ganz besonders intensiv Check24.
VersicherungsboteKönnen Sie bitte für unsere Leser begründen, warum die Onlineanbieter Ihrer Ansicht nach gegen geltendes Recht verstoßen?
Hans-Peter Schwintowski: Alle Portale, die die Vermittlung von Versicherungen anbieten, geben vor Beginn der Beratung nicht die erforderlichen Statusinformationen, also ob sie Makler oder gebundener Vermittler sind. Und sie beschäftigen sich nicht mit den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der Kunden, so wie es das Versicherungsvertragsgesetz vorschreibt. Außerdem werden die Anforderungen an eine angemessene Dokumentation nicht oder nicht richtig erfüllt. Stattdessen tun die Portale so, als seien die Leistungen und die Art der Schadensregulierung bei den einzelnen Gesellschaften identisch, was aber nicht zutrifft, sodass beim Preisvergleich Äpfel mit Birnen verglichen werden. Das ist irreführend, wettbewerbsverzerrend und zugleich ein Beratungsfehler, der zu Schadensersatz führen kann.
VersicherungsboteWenn die Vergleichsportale gegen geltendes Recht verstoßen, dann müsste es möglich sein, Online abgeschlossene Verträge vor Gericht anzufechten. Wie können sich Kunden wehren, wenn sie mit einem Vertrag oder einer Beratung unzufrieden sind?
Hans-Peter Schwintowski: Kunden können wegen fehlerhafter Beratung nach § 63 VVG Schadensersatz verlangen - d.h. auch geltend machen, so gestellt zu werden, als hätten sie den Vertrag gar nicht geschlossen.
VersicherungsboteRechnen Sie mit einer Klagewelle unzufriedener Kunden, sollte es erste Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschlüsse geben?
Hans-Peter Schwintowski: Ich glaube nicht, dass es eine Klagewelle unzufriedener Kunden geben wird, weil ich vermute, dass die allermeisten Kunden mit den von ihnen gewählten Versicherungen einverstanden und letztlich auch zufrieden sind, aber: Ob ich mit dieser Annahme richtig liege, weiß ich nicht.
VersicherungsboteHalten Sie Vergleichsportale für Versicherungen vor dem Hintergrund einer guten Beratungsqualität grundsätzlich für problematisch? Was müsste sich verbessern, damit Kunden von einem guten Online-Vergleich bzw. einer guten Online-Beratung profitieren können?
Hans-Peter Schwintowski: Nach meiner Meinung können auch Vergleichsportale eine gute Beratung durchführen. Sie müssten nur die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden im Einzelnen abfragen, daraus Risikoprofile erstellen und auf der Grundlage solcher Risikoprofile Vergleichsanalysen im Markt durchführen. Wenn das Portal das alles leisten würde, dann könnte man mithilfe des Portals tatsächlich sehr viel bessere Versicherungsangebote erreichen, als dies heute möglich ist. Vor allem aber müssten die Vergleichsportale auch die AVB (Allgemeinen Vertragsbedingungen) in ihre Vergleiche miteinbeziehen und die Transparenzanforderungen des geltenden Rechts bei den Vergleichen berücksichtigen.
VersicherungsboteVersicherungsmakler sind zwar ihren Kunden verpflichtet, aber ebenso abhängig von Provisionen. Wie kann Ihrer Meinung nach die Qualität und Unabhängigkeit der Versicherungsberatung gewährt werden?
Hans-Peter Schwintowski: Die Unabhängigkeit der Versicherungsberatung wäre sehr viel größer, wenn die Vermittler mit den Kunden die Provisionen/Honorare vereinbaren würden.
VersicherungsboteMuss auch der Gesetzgeber nachbessern, um eine gute Online-Beratung zu gewährleisten?
Hans-Peter Schwintowski: Nach meiner Meinung muss der Gesetzgeber nicht nachbessern, weil im VVG klar geregelt ist, dass jeder Vermittler seinen Status benennen und die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden erfragen und davon ausgehend auch beraten und empfehlen muss. So gesehen wäre es nur wichtig, dass im Vermittlermarkt selbst geklärt wird, dass auch die Portale die gleichen Anforderungen erfüllen müssen, die jeder Vermittler in Fleisch und Blut erfüllt.
VersicherungsboteWie sehen Sie die Chancen für ungebundene Versicherungsvermittler, sich auf dem Markt zu behaupten? Wird nach Ihrer Ansicht die Bedeutung des persönlichen Beratungsgespräches zu- oder abnehmen?
Hans-Peter Schwintowski: Nach meiner Meinung sind die Chancen für ungebundene Versicherungsvermittler nach wie vor gut - entscheidend ist, dass sie das persönliche Gespräch suchen und im persönlichen Gespräch zeigen, dass sie besser als Portale sind. Das wird den Vermittlern insbesondere dann gelingen, wenn sie zwar auf Vergleichssoftware zurückgreifen, aber dem Kunden klarmachen können, dass das, was im Vergleichsportal empfohlen wird, nicht unbedingt immer mit den Wünschen und Bedürfnissen des individuellen Kunden übereinstimmt. Jeder Vermittler, der seinem Kunden zeigen kann, dass er besser als ein Vergleichsportal ist, wird den Kunden auf Dauer gewinnen und an sich binden.

Versicherungsbote: Wir bedanken uns für das Interview! (Die Fragen stellte Mirko Wenig)

Der Anleger braucht gute Berater

Eine Studie von Union Investment zeigt, dass deutsche Anleger ihre Finanzkenntnisse schlecht einschätzen. Sie sind zudem sehr sicherheitsorientiert.

Der deutsche Anleger ist ein seltsames Wesen: Aktien sind ihm schon fast traditionell nicht geheuer. Sein Geld bringt er am liebsten aufs Sparbuch – selbst in einem Umfeld historisch niedriger Zinsen. Diesen Trend bestätigt die aktuelle „Studie zum Anlegerverhalten im zweiten Quartal 2014“ von Union Investment, in der 500 Finanzentscheider in privaten Haushalten, im Alter von 20 bis 59 Jahren, mit mindestens einer Geldanlage, befragt wurden. Demnach konnte sich eine Mehrheit von 69 Prozent noch nicht dazu bewegen, ihre bestehenden Geldanlagen aufgrund der aktuell niedrigen Zinsen zu hinterfragen. Immerhin knapp ein Drittel (31 Prozent) nehmen dieses Umfeld zum Anlass, ihre Anlageformen zu überprüfen. 
Junge Menschen kennen sich in Finanzfragen nicht aus
Als Grund für diese Zurückhaltung macht die Studie zum einen Desinteresse und zum anderen mangelnde Kenntnisse aus. Nur 19 Prozent der Befragten setzen sich gerne mit Finanzangelegenheiten auseinander, wohingegen 53 Prozent dies lieber meiden. Nur jeder Fünfte behauptet von sich, sich gut mit Geldangelegenheiten auszukennen. 39 Prozent halten ihr Finanzwissen für unzureichend. Vor allem junge Menschen im Alter von 20 bis 29 Prozent gestehen sich einen schlechten Wissensstand in diesem Thema ein (59 Prozent). Mit höherem Alter wird diese Selbsteinschätzung zwar immer besser. Doch auch bei den 50- bis 59-jährigen ist nur knapp jeder Vierte davon überzeugt, Ahnung von Finanzanlagen zu haben. Ein ähnliches Ergebnis zeigt die Unterteilung nach dem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen: Je höher das Einkommen, desto größer ist das Finanzwissen. Während in der Einkommensklasse unter 1.300 Euro nur drei Prozent der Befragten angeben, gute Kenntnisse aufzuweisen, sind es im Bereich von 2.300 bis 3.100 Euro im Monat schon 14 Prozent und bei über 4.100 Euro 34 Prozent. „Das Ergebnis der Studie zeigt, wie groß der Nachholbedarf bei diesem wichtigen Thema ist“ sagt Giovanni Gay, Geschäftsführer bei Union Investment. „Selbst unter den lebenserfahrenen älteren Menschen und denjenigen mit höheren Einkommen fühlt sich nur eine Minderheit in Finanzangelegenheiten sattelfest.“ 
Alles in allem ein attraktives Umfeld für Finanzberater. So halten auch 40 Prozent der Befragten bei Anlageentscheidungen eine konkrete Empfehlung ihres Beraters für notwendig. Bei den 20- bis 29-jährigen ist es sogar fast jeder zweite. Jeder Dritte Deutsche trifft seine Anlageentscheidung hingegen selbst. Dabei spielt der Wohlfühlfaktor eine wichtige Rolle: 71 Prozent der Befragten geben an, dass ihnen ein gutes Bauchgefühl bei Anlageentscheidungen wichtig ist. „Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Beratern im Kundengespräch eine bedeutende Aufgabe zukommt“, sagt Gay. „Sie müssen ihren Kunden die Vorteile einer breit gestreuten Geldanlage aufzeigen und Brücken zu chancenreichen Investments bauen.“ Nur wer sein Vermögen ausgewogen strukturiere und einschätzbare Risiken eingehe, könne bei langfristig niedrigen Zinsen auskömmliche Erträge erzielen.
Sicherheit geht vor
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass der deutsche Anleger sehr sicherheitsorientiert ist. Für 63 Prozent der Befragten steht die Sicherheit an erster Stelle. Jeder Vierte priorisiert die freie Verfügbarkeit und für nur jeden zehnten steht die Gewinnerzielung im Vordergrund. Noch nicht einmal jeder Dritte (30 Prozent) legt zumindest einen kleinen Teil seiner Ersparnisse chancenreich an. Vor allem in der Gruppe der jungen Menschen können sich nur zehn Prozent mit dem Gedanken anfreunden, eine Streuung ihres Vermögens über verschiedene Assetklassen vorzunehmen. „Dabei muss gerade die junge Generation angesichts sinkender Renten in chancenreichere Anlagen, wie beispielsweise Aktien, investieren und von den langfristigen Chancen profitieren“, mahnt Gay.
Die meistgenutzten Geldanlagen sprechen wie erwartet eine deutliche Sprache: Der Deutsche vertraut den traditionellen  Produkten wie Sparbuch (73 Prozent), Bausparvertag (54 Prozent) oder Kapitallebensversicherung (51 Prozent). „Sparer gefährden damit ihren Vermögensaufbau“, warnt Gay. „Denn auch in nächster Zeit ist zu erwarten, dass sich diese Anlageform bei extrem niedrigen Zinsen inflationsbereinigt nicht mehr lohnen wird.“ Finanzberater können hier bei ihren Kunden mit einer kompetenten und unabhängigen Beratung sicherlich punkten.
(PD)

Arbeitsunfall oder Privatvergnügen?

Arbeitsunfall oder Privatvergnügen?

26.6.2014 – Wenn ein leitender Angestellter bei einem Führungskräfteseminar, das der Verschmelzung von zwei Gruppen dient, an einer „sportlichen Abendveranstaltung“ teilnimmt und sich dabei verletzt, ist das ein Arbeitsunfall. Das entschied der 15. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in einem Urteil vom 11. März 2014 (Az.: L 15 U 731/12)
Der Kläger nahm an einer zweitägigen Führungskräfte-Veranstaltung seines Arbeitgebers teil, deren Zweck es unter anderem war, Gruppen von Führungskräften zu verschmelzen. Diesem Ziel sollte auch eine „sportliche Abendveranstaltung“ in Form eines Volleyballturniers dienen, wobei die Mannschaften bereits zu Beginn der Veranstaltung festgelegt worden waren. Nach dem Spiel sollte es ein gemeinsames Abendessen geben.

Unglückliche Bewegung

Während des Spiels knickt der Kläger um, zog sich einen Bruch des rechten Fußes zu und musste operiert werden. Die gesetzliche Unfallversicherung lehnte es ab, dies als Arbeitsunfall anzuerkennen. Aus ihrer Sicht war der offizielle Teil des Führungskräfteseminars um 18 Uhr beendet, das danach folgende Volleyballspiel und das Abendessen seien dem privaten Bereich zuzuordnende Freizeitaktivitäten gewesen, die unversichert seien.
Der Kläger legte mit seinem Widerspruch eine Stellungnahme seines Vorgesetzten vor, in der dieser angab, dass das Volleyballturnier aus gruppendynamischen Gründen offizieller Bestandteil der Agenda gewesen sei.

Nicht zum Vergnügen

Als der Unfallversicherungs-Träger auch dies nicht akzeptierte, erhob er Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen. Dieses hob den Bescheid auf und stellte fest, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe.
Die Teilnahme des Klägers an dem Volleyballturnier habe in einem inneren Zusammenhang mit seiner Beschäftigung gestanden und sei Teil des von seinem Unternehmen organisierten Führungskräfteseminars gewesen. Der überwiegend Teil der Seminarteilnehmer habe aktiv an dem Turnier teilgenommen und der Kläger habe sich auch nur aus diesem Grund daran beteiligt.
Der gesetzliche Unfallversicherer blieb bei seiner Auffassung, es habe eine klare Trennung zwischen dem geschäftlichen Programm und der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit in Form von Volleyballspiel und Abendessen gegeben.
Wenn man dies verneine, lege man es uneingeschränkt in die Hand des Unternehmens, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf sonst unversicherte Tätigkeiten und Aktivitäten auszuweiten. Immerhin sei der Kläger arbeitsvertraglich nicht verpflichtet gewesen, aktiv an der Sportveranstaltung teilzunehmen. Deshalb legte sie Berufung ein.

Verärgertes Gericht

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen bestätigte das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen. Die Sportveranstaltung sei eindeutig Teil des offiziellen Programms gewesen. Zwar dürfte es dabei sicher nicht möglich sein, inhaltliche Gespräche zu führen, aber zum näheren Kennenlernen der Spieler im Sinne der Teambildung sei das Volleyballspiel durchaus geeignet.
Die Beklagte musste nicht nur die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen, sondern auch die Gerichtskosten in Höhe von 225 Euro – als Strafe dafür, dass sie den Rechtsstreit fortgeführt hatte, obwohl das Gericht ihr deutlich gemacht hatte, dass er aussichtslos sei und es seine Zeit lieber für andere Fälle nutzen würde.
Eine Revision ließen die Richter es nicht zu.

Montag, 23. Juni 2014

"Beraten und Verkauft" - Egizzi über die DVAG

"Beraten und Verkauft" - Egizzi über die DVAG

"Beraten und Verkauft" - Egizzi über die DVAGFoto: istockphoto.com - ©Bora Ucak
„Beraten und Verkauft“ ist der markige Titel der ZDF Zoom-Reportage vom 18. Juli 2012 über die „Deutsche Vermögensberatung“ (DVAG). Dominic Egizzi zeichnet dabei ein düsteres Bild des Versicherungsvertriebs. Der Regisseur ließ für den Film Testberatungen durchführen und interviewte Aussteiger.

Frank Gassner ist einer dieser Aussteiger. Nach einem langen Prozess hat Gassner es geschafft, sich von der DVAG zu lösen. Rückblickend auf die Ausbildung der Vermögensberater resümiert er: „Was man lernt, ist Motivation und strukturiertes Arbeiten. Aber den Kunden optimal bedienen zu können - ist es leider nicht“. Vielmehr sei man zum Scheuklappendenken erzogen worden, sagt Gassner. Er ist mittlerweile als Makler aktiv. Vor allem deshalb, weil er seine Kunden nun wirklich unabhängig betreuen könne.
Der Begriff der Unabhängigkeit begegnet uns in der Reportage noch einige Male. Nach eigener Aussage ist die DVAG der Marktführer unter den eigenständigen Finanzbetrieben. Das Beratungsunternehmen zählt die Deutsche Bank AG oder Generali zu seinen Premium-Partnern und will sich so als branchenübergreifender Allfinanzberater ausweisen. Für „Otto Normalverbraucher“ mögen die Verweise auf Aachener und Münchner Versicherung,Central KrankenversicherungDeutsche Bank AG oder Badenia Bausparkasse wirklich neutral wirken. Die DVAG ähnelt einem Ausschließlichkeitsvertrieb mit Pyramidenaufbau.
Höhepunkt mehrerer Interviews mit gezielten Fragen zur Unabhängigkeit der DVAG ist ein Berater, der feststellte, dass man doch mit einem LKW zum Kunden kommen müsse, wenn man 100 Partner hätte. Das wäre in der Praxis nicht möglich. Was dazu wohl Versicherungsmakler sagen?

Das Modell "Strukturvertrieb"

Das Modell „Strukturvertrieb“, wie es bei der DVAGOVB oder Ergo Pro (früher HMI) vorzufinden ist, sei ein rein auf Verkauf und mit niedrigen Qualifikationsstandards basierendes System. So stellte es das Verbraucherschutzministerium im Rahmen der Studie: „Anforderungen an Finanzvermittler – mehr Qualität, bessere Entscheidungen“ fest.
Strukturvertriebe sind aufgebaut wie ein Pyramidensystem. Jede Hierarchiestufe verdient an der untergeordneten direkt mit, weshalb die Vermittler in den unteren Rängen den größten Teil ihrer Provisionen nach oben abgeben müssen. Daraus resultierend gibt es zwei grundlegende Ziele der Berater. Zum einen die aktive Akquise von Neukunden und Neugeschäft und zum anderen die Anwerbung von neuen Mitarbeitern. Denn jeder Mitarbeiter kann bare Münze wert sein. Nicht nur, dass jeder Vertrag des eigens geworbenen Mitarbeiters auch Provision abwirft, auch die vom Mitarbeiter geworbenen Mitarbeiter bringen, in der zweiten Ebene, auch Geld ein. So ist das Ziel klar: Es müssen schnell viele neue Mitarbeiter gefunden und motiviert werden.

Diese Aussage bestätigt auch Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur der ZeitschriftFinanztest. Im Vordergrund der Arbeit eines Vermögensberaters stünde nicht die Kundenbetreuung, so Tenhagen, sondern eher die Gewinnung neuer Mitarbeiter. Die Mitarbeiter seien dabei einem enormen Verkaufs- und Provisionsdruck ausgesetzt.

„Fachidiot schlägt Kunden tot“

Der Film zeigt auf, dass „gut mit Menschen können“ im Prinzip schon das Wichtigste sei. Dies wurde in Bewerbungsgesprächen offen kommuniziert. Ein Interviewpartner bemerkt dazu: „Vorkenntnisse? Das ist sowas von egal. Das ist mitunter manchmal ganz gut. Man kommt da schnell rein. Ein Begriff der Branche heißt: Fachidiot schlägt Kunden tot.“

Auch in der späteren Mitarbeiterschulung ist ein ähnlicher Tenor zu hören: „Wenn man bei uns anfängt, hat man keine Ahnung und das ist auch ganz gut so. Das ist wie bei einer Festplatte, die kann man von vorne bespielen. Wenn da erstmal ein paar Viren und Würmer drauf sind, dann ist das schwierig das alles erstmal runterzubringen.“
Eindrucksvoll gestaltet sich auch die jährliche Eigenveranstaltung der DVAG, der "Vermögensberater-Tag":
Bei diesem aufwendig und pompös gestalteten Event versammeln sich etwa 15.000 Unternehmensangehörige zum Selbstbeweihräucherungsakt. Betont wird der Zusammenhalt als eine "berufliche Familie".
Wie es im Film heißt, gibt die DVAG jährlich rund 50 Millionen Euro für Aus- und Weiterbildung aus. Da 60 Prozent der Berater nebenberuflich aktiv sind, ist die qualitativ hochwertige Beratung zusätzlich eher schwer zu garantieren. Da ist es kaum verwunderlich, dass einer Kundin sowohl eine Riester- als auch eine Rüruprente verkauft wurden. In einer Testberatung, in welcher der Berater zufällig ausgewählt wurde, ist diese Kombination sogar erneut verkauft worden.
Der Film zeigt auch, welche Schwierigkeiten damit verbunden sein können, sich von der Gesellschaft zu lösen. Denn die Berater sind in der Regel Handelsvertreter, vertraglich fest an die DVAG gebunden. Die Kündigungsfrist beträgt 15 Monate. Zusätzlich werden Provisionen zum Teil eingefroren werden. Dies macht es nicht einfacher, den Vertrieb zu verlassen. Mittlerweile sind diesbezüglich mehrere Klagen anhängig.
Der große Erfolg der DVAG zeichnet sich aber auch durch die gute Vernetzung mit der Politik aus. So hielten in den vergangen Jahren unter anderem Kanzlerin Angela Merkel und der damalige Außenminister Guido Westerwelle flammende Reden vor den Vertrieblern. Auffällig ist ebenfalls, dass viele Politiker in verschiedenen Positionen bei der DVAG tätig waren oder sind. So ist zum Beispiel Altkanzler Helmut Kohl im DVAG-Beirat, der ehemalige Finanzminister Theo Waigel ist im Aufsichtsrat und auch Westerwelle war bereits im DVAG-Beirat tätig. Ob dabei größere Parteispenden eine Rolle gespielt haben? So wird die enge Verknüpfung mit der Politik seit längerem wegen möglicher Einflussnahmen auf Gesetzesprojekte kritisch betrachtet. Laut TAZ-Parteispenden-Watch erhielt die CDU zwischen 2004 und 2010 knapp 860.000 Euro von der DVAG. Bei der FDP waren es immerhin noch 449.000 Euro.

Rente mit 63 erregt großes Interesse - schon 12.000 Anträge!

Rente mit 63 erregt großes Interesse - schon 12.000 Anträge!Schon mit 63 in Rente? Die schwarz-rote Rentenreform macht es möglich!
Foto: peterscode@Pixabay.com
Rente mit 63: Bisher haben rund 12.000 Arbeitnehmer die abschlagsfreie Rente mit 63 beantragt, wie aus Schätzungen der Rentenversicherung hervorgeht. Wirtschaftsvertreter warnen vor den Folgen für Unternehmen.

Der Countdown läuft: in einer Woche tritt die Neuregelung zur Rente mit 63 in Kraft. Und offenbar ist das Interesse der Beschäftigten groß, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. DerRentenversicherung Bund liegen derzeit über 6.000 Anträge vor, bei den regionalen Rentenversicherungen seien es ebenso viele, berichtet die Bild-Zeitung mit Berufung auf einen Sprecher der Rentenversicherung.

45 Beitragsjahre zur gesetzlichen Rentenversicherung sind Pflicht

Anrecht auf eine abschlagsfreie Rente haben Arbeitnehmer, die mit 63 Jahren 45 Beitragsjahre zur gesetzlichen Rentenversicherung nachweisen können. Das gilt für Personen, die bis einschließlich 1952 geboren sind. Für die Geburtsjahrgänge 1953 bis 1963 soll das Renteneintrittsalter hingegen schrittweise auf das 65. Lebensjahr angehoben werden.
Bei den erforderlichen 45 Beitragsjahren werden u.a. auch eingerechnet:
  • Bezugszeiten des heutigen Arbeitslosengeldes I
  • Zeiten der Wehr- und Zivildienstpflicht,
  • Zeiten der Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes
  • Zeiten der geringfügigen, nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung (anteilige Berücksichtigung)
Überraschend ist das große Interesse jedoch nicht, denn die Bundesregierung rechnet mit einer noch höheren Nachfrage. Nach Schätzungen des Arbeitsministeriums werden bis Ende 2017 rund 240.000 Menschen die Chance zur Frühverrentung nutzen. Anlass für den Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages(DIHK) Eric Schweitzer, erneut vor den Konsequenzen zu warnen. Er habe „große Sorge“, dass viele Erwerbstätige früher ausscheiden könnten und den Unternehmen dann Fachkräfte fehlen, sagte Schweitzer der Bild.

Autor: Mirko Wenig

Mittwoch, 18. Juni 2014

das Rentenpaket 2014 schnell erklärt

Bild: maraedition
Bild: maraedition

Rentenpaket der Bundesregierung ist beschlossen

Mütterrente
Die Erziehung von Kindern, die vor 1992 geboren wurden, wird jetzt bei der Rente doppelt anerkannt. Diese Mütter bekommen ein Jahr Kindererziehungszeit (oder einen so genannten Rentenpunkt) zusätzlich bezahlt. Ab Juli 2014 erhalten alle berechtigten Mütter (oder Väter) mehr Geld – sofern sie schon in Rente sind, sonst später.
Die Rente erhöht sich pro Kind um weitere 28,61 Euro (West) und 26,39 Euro (Ost).
Die erhöhten Rentenzahlungen erfolgen automatisch in der zweiten Jahreshälfte - rückwirkend zum 1. Juli. Damit bekommen “alte” Mütter jetzt insgesamt 57,22 Euro (West) und 52,78 Euro (Ost) Mütterrente je Kind (rententechnisch zwei so genannte Rentenpunkte).
“Junge” Mütter (Kinder ab 1992 geboren) bekommen je Kind später drei Rentenpunkte, also 85,83 Euro (West) und 79,17 Euro (Ost).
Abschlagsfreie Rente ab 63
Ab Juli 2014 dürfen langjährig Versicherte (45 Beitragsjahre) schon mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente. Ab Jahrgang 1953 steigt diese Altersgrenze schrittweise und wird für alle ab 1964 Geborenen bei 65 Jahren liegen.
Die Deutsche Rentenversicherung zahlt die ersten abschlagsfreien Renten ab Juli 2014. Wenn sich die 45 Versicherungsjahre nur mit Arbeitslosigkeitszeiten nachweisen lassen, kann sich die Auszahlung verzögern.
Zeiten der Arbeitslosenhilfe (bis 2004) oder Hartz IV (ab 2005) werden bei den 45 Jahren nicht mit gezählt. Problem: die Deutsche Rentenversicherung hat in vielen Fällen keine eigenen Daten, um den genauen Status der Arbeitslosigkeit zu prüfen:
Die “normale” Arbeitslosigkeit (ALG I) zählt nämlich zu den 45 Jahren hinzu. Ausnahme: wenn die Arbeitslosigkeit in den letzten beiden Jahren vor dem 63. Geburtstag war. Dadurch sollen Frühverrentungen (“Rente 61″) verhindert werden
Bessere Absicherung bei den Erwerbsminderungsrenten
Versicherte, deren Erwerbsminderungsrente erstmals ab 1. Juli 2014 beginnt, werden künftig besser abgesichert. So wird etwa die sogenannte Zurechnungszeit um zwei Jahre angehoben. Erwerbsgeminderte Menschen werden dann so gestellt, als hätten sie bis zum Alter von 62 Jahren mit ihrem durchschnittlichen Einkommen weitergearbeitet. Das wurde hier schon erklärt. Selber rechnen:
Bierdekcle-Grafik: #klartextfinanzen
Bierdekcle-Grafik: #klartextfinanzen
(Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund)